Archiv der Kategorie: Radionovela

126 Murder

In Deutschland, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, hat man sich mittlerweile dann doch ein wenig daran gewöhnt, dass in dem einen oder anderen Ort Juden ansässig sind. Und auch, wenn ein partiell kluger Mann einen noch klügeren einmal mit den Worten zitiert hat: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.“ ist doch, was das Thema angeht, eine gewisse, nennen wir es: Routine eingekehrt, im Verhältnis von Teutonia und Synagoge.

Es gibt Gedenkfeiern und Ansprachen, Städtepartnerschaften und Steh-Empfänge, Mahnmale und Kochbücher für die koschere Küche.

Ein bisschen aufgeregter wird das Ganze schon noch, wenn der jüdische Staat in den Fokus des deutschen Betrachters gerät. In der zurückhaltenderen Variante emotional-humanistischer Politgefühlsaufwallung darf Israel zwar weiter existieren, sollte sich bei der Verteidigung seiner Einwohner aber merklich zurücknehmen. Überhaupt ist das Bild des sich selbst verteidigenden Juden offensichtlich für viele schwerer zu ertragen als die Ornamente der Opfer im Zuge der Befreiungen der Konzentrationslager.

Dass das Bild des wehrlosen Juden ein zwar häufig goutiertes aber eben doch nur ein Klischee ist, belegen nicht nur die jüdischen Brigaden in der britischen Armee während der II. Weltkriegs, sondern auch die Geschichte jüdischer Gangster Anfang des 20. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten. Rich Cohen hat in seinem Buch Murder Incorporated die Historie eben jener Szenerie jüdischer Mobster respektive Mafia eindrucksvoll und vor eigenem familiären Hintergrund beschrieben. Einer der bekanntesten und in vielen Filmen und Serien Beschriebener dürfte dabei Meyer Lansky sein. In der folgenden Stunde wollen wir Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, jene Szenerie näher bringen, die in ihrer Umgehensweise mit Faschisten durchaus auch für die heutige Zeit von einigem Interesse sein könnte.

125 Veteranentag

Liebe Freundinnen und Freunde! Liebe Angehörige! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Kameraden!

Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch die Gesellschaft, als Herr Verteidigungsminister Thomas de Maizière Anfang des Jahres seinen Plan zur Einführung eines Veteranentages in Deutschland der Öffentlichkeit präsentierte. Kopfschüttelnd nahmen wir die ablehnenden Kommentare zur Kenntnis, welche ihm aus der Medienlandschaft entgegenschallten.
Ein Veteranentag passe nicht nach Deutschland, hieß es. Von unangemessenem Pomp war die Rede, das Gespenst einer remilitarisierten Gesellschaft wurde beschworen und der Begriff „künstlich aufgepfropft“ fiel.

Wir hingegen, Interessengemeinschaft Veteranentag in Deutschland IVID, unterstützen den Vorschlag des Herrn Verteidigungsministers, wir unterstützen ihn vehement … aber nicht vorbehaltlos.

Hier sind unsere Forderungen.

Und verpassen Sie auf gar keinen Fall die erste Folge der zweiten Staffel von Überall – DIE Radionovela.

124 EM

Willkommen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, zu einer neuen Folge von 51° – Der Sendung rund um den Ball. Ja, ihr habt richtig gehört: dank der Unterstützung durch unsere Gastredaktion aus der Hauptstadt der ewigen Zweitligisten ist 17° heute dreimal so gut. Und dreimal so schnell: während die anderen ihre EM erst in den nächsten Wochen abhalten, dreht sich bei uns bereits heute alles um das runde Leder.

Ein Feuilletonist der Süddeutschen Zeitung sinnierte einmal, das Bedürfnis nach einer Einheit von Zeit, Ort und Handlung sei in früheren Epochen etwa von Gladiatorenkämpfen oder dem klassischen griechischen Drama erfüllt worden. Heute hingegen spiele der Fußball diese Rolle, und dass sei auch der Grund für seine enorme und ungebrochene Popularität.

Die teilweise unbändig anmutenden Emotionen, die sich bei nationalen und internationalen Fußballereignissen entladen und sich etwa in martialischen sogenannten „Schlachtgesängen“ manifestieren (allen voran das deutsche „Sieg!“) zeugen tatsächlich von solch archaischen Emotionen. Verhindert das
Fußballspiel, dass diese in Krieg oder andere Formen der gewaltsamen Auseinandersetzung umschlagen? Ist das Fußballspiel also eine zivilisatorische Errungenschaft, Teil eines cultural engeneering, das – wenn auch oft vergeblich – versucht, solche Gefühle zu kanalisieren?

Liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer: bleibe am Apparat.

117 Sterne

Werte Zuhörerinnen und Zuhörer,

dass das kapitalistische Prinzip sich weltweit durchgesetzt hat, ist, das wissen Sie, monokausal nicht zu erklären. Genauso wenig wie weiland der Siegeszug des Videoformats VHS, obwohl es doch mit betamax ein wesentlich leistungsfähigeres gab. Oder: nehmen Sie die ebenfalls komplexe Welt der PC-Betriebssysteme, ein vielleicht noch näher liegendes Beispiel, wie irrational ab und an die Welt tickt. Quasi seit Jahrzehnten beherrscht mit Windows das schlechteste aller Operation Systems den Markt. Und das schlimmste: jetzt wo diese Welt etwas durcheinander gerät, zeichnet sich ja nicht etwa eine fundamentale Verbesserung ab, sondern mit Google erscheint die nächste monopolistische Grausamkeit am Horizont.
Aber zurück zum großen Ganzen. Wie soll unsereins mit dem alltäglich Wahnsinn, der ja nicht nur ein ökonomischer ist, umgehen, ohne depressiv, verrückt oder gänzlich lethargisch zu werden? Diese Frage bestimmt – Sie können es sich vorstellen – die Redaktionssitzungen im hübscher Regelmäßigkeit. „Prosa“ schallte es da beim letzten Zusammentreffen durch unsere üppigen Büroräume und nach dem ersten ungläubigen Staunen raunte eine andere Ecke des Think Tanks „Cortazar“ und niemand anderes.
Julio Florencio Cortazar, Neofantast, ein bisschen Surrealist, Konsument filterloser Zigaretten und Anhänger der kubanischen Revolution, erschuf im Jahr 1942, neun Jahre bevor er ins französische Exil ging, die Ihnen im Folgenden vorgetragene Geschichte „Die Sternenputzer“. Lehnen Sie sich zurück und schließen Sie die Augen. Aber bitte: vermeiden Sie das Blinzeln zwischendurch. Sie werden merken, warum.

116 Tabu

Sie kennen das Problem sicher auch: alle sprechen über Ihr Thema, und im Gemurmel der allgemeinen Debatte möchten Sie sich Gehör verschaffen. Sie vertreten zwar keinen neuen oder bisher vernachlässigten Standpunkt; in ihrem vehementen Streben nach Distinktionsgewinn und um den bereits existierenden Diskurs zu dominieren, fehlt Ihnen jedoch der notwendige entscheidende Kniff.
Herzlich willkommen zu einer weiteren Lektion aus unserer beliebten 17grad-Sendereihe „Ratgeber Lebenspraxis“. Unser heutiges Thema: „Der Tabubruch – ehedem geächtet, heute geachtet“.

115 Erich Mühsam

Liebe Zuhörerinnen, geschätzte Zuhörer: wenn jemand der ehemaligen Reichs- und heutigen nur –hauptstadt weniger zugetan ist als der Bayerischen, wenn einer Vegetarier und andere Abstinent- und Verzichtler verspottet, wenn er es schafft, sich sowohl mit anarchistischen als auch mit kommunistischen Organisationen zu überwerfen, ohne politischen Verve einzubüßen, dann kann das kein so schlechter Mensch sein. Gewesen sein, müsste man genauer sagen. Denn der Anarchist und gleichzeitige Bohemian Erich Mühsam wurde 1934 von den Nazis im KZ Oranienburg ermordet. Dieser Tage erscheint nun der erste Band seiner Tagebücher im Berliner Verbrecherverlag. Die Berliner Morgenpost nennt dies ein literarisches Mammutprojekt, immerhin sind insgesamt 15 Bände und damit ca. 7000 Seiten geplant. Wir nennen es – bodenständig wie wir sind – großartig, wollen aber, wenn es um den vollbärtigen Zausel aus Lübeck geht, der während der Münchner Räterepublik so einiges auf die Beine gestellt und unter die Tische getrunken hat, von der Prämisse der werbefreien Sendungen Abstand nehmen: Sie hören in der Folge eine Reklame in Reinkultur, eine Hommage an den Autor mit seinen eigenen Worten quasi. Kaufen Sie diesen und die folgenden 14 Bände. Und wenn Sie dann noch Barmittel übrig haben: Sie wissen ja, wo Sie unsere Spendenaktion „Pate 2.0“ im Netz finden.

114 Frontex

Offiziell als "Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen" bezeichnet, macht FRONTEX häufig im Zusammenhang mit Grenzschutzmaßnahmen zum Zweck der Verhinderung irregulärer Migration von sich reden. Wir gehen im Interview mit Bernd Kasparek, dem Mitherausgeber des Buches „Grenzregime“, der Frage nach der Rolle, Funktion und Praxis von FRONTEX im Rahmen des eruopäischen Grenz- und Migrationsregimes nach.

113 Die Mitleidsindustrie

Liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, wir begrüßen Sie zur 113ten Folge 17grad – Radio zur Anhebung des allgemeinen Wohlbefindens.
In unserer heutigen Sendung wollen wir uns einem Thema widmen, das uns Mitteleuropäern noch jedes Mal die Tränen in die Augenwinkel treibt. Wir wollen uns mit nichts weniger beschäftigen als mit dem weltweiten menschlichen Leid. Oder präziser gesagt: mit den Personen, mit den Initiativen und den Organisationen, die sich den Kampf gegen dieses Leid auf ihre Fahnen geschrieben haben. Wobei der Begriff „Kampf“ in diesem Zusammenhang dann doch eher unpassend zu sein scheint. Denn um gegen oder auch für etwas zu kämpfen, sollte man ja zumindest ansatzweise die Ursachen der Verhältnisse, gegen die man anzutreten vorgibt, analysiert und verstanden haben. Das kann man von den mannigfaltigen Organisationen und Initiativen, die weltweit gegen Hunger und Elend, gegen die Folgen von Katastrophen, Industrieunfällen und Kriegen antreten beziehungsweise diese Folgen einzudämmen versuchen, nicht immer behaupten.
Die Spendensammler, internationalen Helferkollektive, die karitativen Vereinigungen, die Hilfslieferservices und religiösen Unterstützerkomitees, sie alle sind schon aus Gründen des eigenen Raison d’être darauf angewiesen, dass fortwährend die medialen Bilder kolportiert werden, die einen ausreichenden Kapitalfluss für die gesamte Wertschöpfungskette der Hilfsökonomie sicherstellen.
Linda Polmann schreibt in ihrem Buch „Die Mitleidsindustrie“:

Spenden sie auch unter: www.weilwirdichbrauchen.de

111 Der Herr ist kein Hirte

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

es ist erst wenige Wochen her, dass wir Ihnen auf diesem Sendeplatz mit der Folge 17grad – ich glaub’s ja nicht den Aufsatz „Die Gottespest“ von Johann Most vortrugen. Sie als Stammhörerin und –hörer werden sich sofort erinnern. Allein, das Thema Glauben an sich lässt uns nicht los. Es gibt zur Zeit wohl kein gesellschaftliches Großereignis auf diesem Planeten, dem nicht eine wahrnehmbare religiöse Komponente innewohnt. Ausgenommen vielleicht der momentane Klärungsprozess, ob die Kernenergie beherrschbar ist, oder eben nicht.
Ansonsten aber erscheinen uns die – wie sagt man so schön – Umwälzungsprozesse durchaus, ja geradezu ausnahmslos, religiös konnotiert. Manchmal muss man in derartigen Situationen innehalten und sich fragen, ob man hier nicht mal grundsätzliche, quasi fundamentale Einschätzungen vorstellen und diskutieren müsste. Sehen Sie, und weil auch Sie jetzt zustimmend mit dem Kopf nicken, haben wir uns gesagt: noch eins drauf! Es ist Zeit für die Religionskritik 2.0. In der heutigen Stunde 17grad – Radio gegen die Gegenaufklärung erleben Sie den Einstieg in die Frage, wie Religion die Welt vergiftet, basierend auf Ausschnitten aus Christopher Hitchens Buch Der Herr ist keine Hirte.

110 Schlaf

Was man ihm nicht gibt, holt sich sein Bruder, so heißt es.
Er ist Mutter der Porzellankiste und Vater aller Dinge in einem, so sagt man.
Dennoch bekunden lediglich Physiologen, Psychologen und Philosophen
ein gewisses wissenschaftliches Interesse für ihn – und wir, die Redaktion
17grad.
Hören Sie heute: Schlaf – das Ende der Freizeit.
Und verpassen Sie keinesfalls den zweiten Teil der 17grad-Radionovela
„Überall“.