Schlagwort-Archive: Deutschland

213 Ressentiments

RessentimentsDas tagtägliche Lamento der herrschenden Polit-Kaste, jetzt müssten aber wirklich alle Demokratinnen und Demokraten ganz eng zusammenstehen, um sich gegen den Faschismus – nein, eigentlich nur gegen Hass im Allgemeinen –, zu positionieren, wird durch das alltägliche staatliche Handeln in Permanenz konterkariert.
Die gesellschaftliche Affirmation des autoritär-völkischen Denkens ist in Form der Verharmlosung, der Entschuldigung, der Duldung, der Kollaboration längst hegemonial geworden. Unter williger Mithilfe der bürgerlichen Journaille.
Es vergeht keine Woche, in der nicht der parlamentarische Arm der
Faschisten zu irgendeinem Alltagsrotz eingeladen, interviewt, befragt wird.
Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendein Teil einer Institution der Judikative oder Exekutive ganz offen mit den Faschisten sympathisiert, fraternisiert oder gleich als organisierter Teil derselben in Erscheinung tritt.
Niemanden hätte das versuchte antisemitische Massaker in Halle überraschen dürfen.
Und dennoch tun alle bürgerlichen Maulhelden so, als müsse man jetzt, angesichts dieser vorgeblichen Ungeheuerlichkeit, etwas unternehmen.
Allerdings muss sich auch die sich als antifaschistisch begreifende Linke, die die Nachkriegs- und Nachwendeentwicklung Deutschlands kritisch bis antagonistisch begleitet hat, mit der Frage auseinandersetzen, was sie zu dem antisemitischen Furor in diesem Staat beigetragen hat.
Eine Linke, die keinen Begriff vom Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Spielarten hat, wird dem auf allen gesellschaftlichen Ebenen sprießenden Faschismus nichts entgegenzusetzen haben.

Ein Radio-Feature mit Musik von Dessert Sessions, Robert Earl Keen, Siri Nilsen, Jessica Lea Mayfield, Swans und Billie Eilish.

200 Novemberrevolution

In Bayern feiern sie heuer 200 Jahre Verfassung. Etwas ungenau zwar, war es doch die Verfassung des Königreichs Bayern, welche 1818 vom damaligen Max dem Ersten Joseph erlassen wurde. Nächstes Jahr feiern sie dann wohl 100 Jahr Bamberger Verfassung. Und 2046 dann 100 Jahre Landesverfassung. Etzeterah p.p.
Was sie in Bayern nicht wirklich feiern, sind 100 Jahre Revolution. Aber da sind sie in guter Gesellschaft hierzulande.
In der 200. Sendung der Redaktion 17grad hören Sie Sebastian Haffner, Attwenger, Philipp Scheidemann, Die Goldenen Zitronen, Dradiwaberl, Polkahontas und Kool & The Gang.


143 Erster Weltkrieg

happy_birthday_wk1Wir schreiben das Jahr 2014 nach Christus und befürchten das Schlimmste:
Zum 100. Jahrestages des Beginns des 1. Weltkrieges werden in den kommenden Monaten umtriebige Autoren, Experten, Analysten und Dokumentarfilmer mit ihren Radio-Features, Reportagen und TV-Beiträge Unsummen an Sendezeit und Feuilletonseiten füllen und uns mit zerrütteten Nerven und leerem Kopf auf der medialen Wallstatt zurücklassen.
Unser gutgemeinter Rat diesbezüglich: Hören Sie JETZT gut zu und schalten Sie danach einfach ab.

129 Bierdimpfels Revolution

„Trunksucht war ein Hauptbestandteil der nationalsozialistischen Ideologie“ (Hjalmar Schacht in seiner Zeugenaussage beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß, 30.4.1946)

17grad präsentiert Ihnen in der Reihe 17grad Vorgelesen das 4. und 5. Kapitel von Josef Kurths 1945 erschienener Groteske „Bierdimpfels Revolution – Der Suff als Weltanschauung“.
Der Autor schrieb „Bierdimpfels Revolution“ nach eigenen Angaben in den Monaten März/April 1933 „als eine Rotte klobiger Burschen sich wieder einmal anschickten deutsche Geschichte zu brauen. […] Der letzte Rest von Staunen, der meinem verständnisbereiten Gemüt noch verblieben war, galt nun all‘ denen, die sich in wilder Gier um das neue Gebräu rauften und nicht nur Glückseligkeit, sondern ihren solventen Rausch davon fanden.“

Und hier noch eine wichtige Mitteilung für alle Radionovela-Addicts: Infolge ungeahnter Entwicklungen in Überall verschiebt sich die Ausstrahlung der 5. Folge der Staffel II von „Überall – Die Radionovela“ um einen Monat. Das tut uns fürchterlich leid. Aber wir können es nun mal nicht ändern.

52 Vagabunden

Viereinhalb Jahre lang wurde sie ignoriert: Die verschollene Sendung Nummer 52 – nie gesendet, nie aufgenommen, nie konzipiert. Das „Warum“ muss wohl eines der großen Rätsel der Menschheitsgeschichte bleiben.

Jetzt endlich ist es soweit: In Hinblick auf die im April anstehende 100. Sendung 17grad war es uns ein Grundbedürfnis, die schmerzende Lücke in unserer Sendungshistorie zu schließen.

98 Deutschland – der Film

Standing Ovations, Tränen der Rührung und Freude, Schlangen vor den Kinokassen, als gäbe es Begrüßungsgeld: Kaum ein Film der letzten Jahre wurde so einhellig gefeiert. „Fulminant“, „Ein deutsches Jahrhundertwerk“, „Kino der Superlative“ und „Wir sind Film“ lauteten die Schlagzeilen. Kanzlerin, Bundes- und DFB-Präsident brachen in Jubel aus.
Sie, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer, ahnen längst, worum es geht. Es geht um „Deutschland – der Film“, den Blockbuster des Jahres 2009. Die Euphorie über diese teuerste, langwierigste Produktion deutscher Filmgeschichte, besetzt mit vermeintlich hochkarätigen Schauspielern, können wir nicht teilen. „Deutschland“ ist schlicht und ergreifend ein schlechter Film. Die Story seicht, langatmig, absehbar, bei der Kamera hat Leni Riefenstahl Patin gestanden, einzig und allein die Stunts können überzeugen – doch wir wollen nicht vorgreifen. Begleiten Sie die 17grad-Kulturredaktion eine Stunde lang auf einen Streifzug durch erschreckende Abgründe und kurze Lichtblicke, kurz: durch das übelste Machwerk der Farbfilmära: „Deutschland“.

96 Heimatfilm

Liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer, zum dritten Mal 60 Minuten, 60 Jahre Deutschland, heute für Sie, in Ihrem Auftrag, wieder in den Äther geschickt, von Ihrer 17 grad Redaktion.

Vorab in eigener Sache: wir wollen uns intensiv bei Ihnen für Ihr starkes Interesse am Brettspiel „Germanomanie, das wir in unserer Letzten Sendung vorgestellt haben, bedanken. Für die Verzögerungen bei der Zustellung können wir uns leider nicht entschuldigen. Sie müssen wissen dieses Brettspiel wird in akribischer, den deutschen Tugenden entsprechenden Weise, mit deutschen, nachwachsenden Erzeugnissen in Handarbeit in der ehemaligen DDR hergestellt. Wir stehen in engem Kontakt mit der Verlagsanstalt Ravensbrück und geben unser Bestes, Ihnen auch nach der Wahl zu dienen.

Kehren wir zur heutigen 60M x 60J =Deutschland Sendung zurück. Bitte liebe Zuhörerinnen und Zuhörer machen Sie für die Dauer dieser Sendung die Augen zu und stellen Sie sich eine deutsche, unberührte, saftig grüne Landschaft vor, die von farbfroher Idylle nur so trieft.
Haben Sie es erraten wo sie sind? Ja, Sie befinden sich nun in der Natur oder besser in der deutschen Natur, eines, der von reinrassigen Deutschen Filmschaffenden von Göbbels Gnaden, produzierten Heimatfilme nach 45.

Bitte verweilen Sie darin, während wir uns die Frage stellen, Wo sind die Soldaten, die “Spuren, Splitter und Trümmer”, die Verstümmelten, die Nazis, und…die Lücke.

Wen oder was versucht der deutsche Nachkriegsfilm zu verstecken?
Mit Julia Anspachs Arbeit „Antisemitische Stereotype im deutschen Heimatfilm nach 1945“ gehen wir auf die Suche. Wir zeigen anhand von drei Filmen, wie die Natur der Heimat als Leinwand alles Zuvor geschehene zudeckt, verhüllt und versteckt.

„Das Neue, eine Leerstelle des Bewußtseins, gleichsam geschlossenen Auges erwartet, scheint die Formel, unter der dem Grauen und der Verzweiflung Reizwert abgewonnen wird. Sie macht das Böse zur Blume“.

Bleiben Sie Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer weiter entspannt vor Ihren Volksempfängern auf ihren Sitzen sitzen und hören Sie nun…

95 Diaschau

Der Urlaub ist zu ende, die schöne Zeit vorbei; es bleiben bestenfalls Erinnerungen, und die verblassen angesichts des überbordenden Alltagslebens gar zu schnell. „Moment mal“, haben wir uns da gedacht. Und: „‚Was passiert eigentlich immer mit all den Urlaubs-Fotos? Verschwinden die mittlerweile  auf Immerdar in den Tiefen von Festplatten und Fotoalben? Was ist aus der guten alten Diashow geworden?“

17grad wirft einen Blick durch die Fotoobjektive fremdländischer Besucherinnen und Besucher auf dieses Land, in dem wir leben.

94 Deutschlandspiel

60 Jahre Deutschland, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dies ist auch heute wieder das Motto der kommenden 60 Minuten auf Ihrer Lieblingsfrequenz.

Um uns und Ihnen bei dem Thema eine kleine Auszeit von ständiger Nörgelei zu gönnen, wollen wir uns heute dem Gegenstand des Unbehagens einmal im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch nähern. Dafür haben wir uns auf die Suche nach Gesellschaftsspielen gemacht, die in irgendeiner Form mit Deutschland zu tun haben und sind dabei auf das fantastische Brettspiel „Germanomanie“ aus der Verlagsanstalt Ravensbrück gestoßen.

Das Spiel besteht aus einem 100 x 100 cm großen Spielbrett, einer original peenemünder Sanduhr, einem Paar zehnseitiger Würfel, dem Sonnenrad der Zeit, einem großen Stapel von Aktionskarten, die farblich den jeweiligen Zeitzonen zugeordnet sind, einem Lösungsbuch und für jede Mitspielerin und jeden Mitspieler eine Tugendstange, auf die die zahlreichen Tugendringe gesteckt werden. Sie dient zugleich als Spielfigur.

Ziel des Spieles ist es, so viele Tugendringe wie möglich auf der Tugendstange aufzureihen. Gewonnen hat, wer mit den Tugendringen die oberste Farbe seiner Schwarz-Rot-Gold oder Schwarz-Weiß-Rot angemalten Tugendstange erreicht hat und darf direkt nach Walhalla einziehen.

Ob der Spieler mit einer Schwarz-Rot-Goldenen oder einer Schwarz-Weiß-Roten Stange spielt, entscheidet er vor Beginn des Spiels.

Taktiktipp:

Die beiden Tugendstangenarten sind zwar unterschiedlich hoch, allerdings heißt das nicht, dass die kleinere Schwarz-Rot-Goldene leichter zu spielen ist, da die Aufgaben und Abläufe auf dem Spielbrett die Wahl dieser Stange honoriert.

Das Spielbrett mit seinen 128 Spielfeldern ist in vier historische Zeitzonen aufgeteilt.

Diese sind: a) das 1000 jährige Reich, b) die Bundesrepublik, c) die Deutsche Demokratische Republik / Kurz: drüben und d) Klein-Groß-Deutschland.

Die Spielfelder erklären entweder direkt Aktionen, die die Spielerin oder der Spieler ausführen muss, oder verweisen auf zu ziehende Aktionskarten. Kommt man in seiner Zeitzone nicht zurecht bzw. gestaltet sich das Sammeln der Tugendringe schwer, kann man auf den so genannten Warp-Feldern – und NUR auf diesen – die Zeitzone wechseln. Dazu muss der Spieler zunächst würfeln und dabei eine Zahl zwischen 33 und 45 erreichen. Schafft er dies nicht, verliert er einen Tugendring für Verrat und muss in seiner Zeitzone bleiben. Schafft er die geforderte Würfelzahl, dreht er am Rad und setzt seine Spielfigur in die Zeitzone, die das Sonnenrad der Zeit anzeigt. Er behält allerdings die Tugendstange, die er sich vor Beginn ausgesucht hat.

Taktiktipp:

Logischerweise ist es mit einer Schwarz-Weiß-Roten Stange schwieriger, in der Zeitzone BRD an Tugendringe zu kommen. In der Zeitzone Klein-Großdeutschland wiederum wird das Sammeln der Tugendringe für Schwarz-Weiß-Rote wieder einfacher. Überlegen Sie also gut, in welcher Zone Sie auf Tugendjagd gehen wollen.

Die original peenemünder Sanduhr kommt bei der Beantwortung der auf den Aktionskarten gestellten Fragen zum Einsatz. Sie begrenzt die Antwortzeit auf 30 Sek. Die Bewertung der Antwort erfolgt über das beiliegende Lösungsbuch.

Nr 94 – Deutschlandspiel

92 Happy Birthday Germany

Liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer,

ein ganz klein wenig feierlich ist uns ja schon zumute, dieser Tage, wo das Land, in dem wir mehr oder weniger zufällig leben, Geburtstag feiert. Und einen runden dazu.
Es ist ja ein wenig wie mit der puckeligen Verwandtschaft: man kann sie eigentlich nicht leiden und mehr als einmal wollte man den ein oder die andere schon mit einem Baseballschläger zum Verstummen bringen.

Aber wenn das große Jubiläum ansteht, reißt man sich eben ein wenig zusammen und spricht nicht schlecht über das Geburtstagskind. Zumindest nicht offen. Hinter vorgehaltener Hand, OK, da entgleiten einem schon mal die Gesichtszüge, aber alles in allem wollen wir uns, dem Anlass angemessen, zivilisiert benehmen. Zumal die Feierlichkeiten ja das ganze Jahr andauern.
Wir haben in der Redaktion lange diskutiert, ob wir uns an diesen Feiern überhaupt beteiligen sollen, immerhin sind wir gar nicht explizit eingeladen und der offizielle Rummel nimmt ja durchaus genug medialen Platz ein.
Aber: liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, gerade weil wir nicht immer das entspannteste Verhältnis zu Deutschland hatten und haben – andersherum wurden wir eher mit Nichtbeachtung gestraft – wollen wir die Errungenschaften der letzten 60 Jahre in diesem Land nicht einfach ignorieren.
Deshalb haben wir uns entschieden, fortan jede der diesjährigen Sendungen der Münchner Redaktion unter das gleiche Motto zu stellen: Sixty Years…
Eine Hommage sozusagen an Land aber auch an Leute, an die Deutschen, die ja in beinahe bewundernswerter Weise von Faschisten zu Demokraten wurden. Die in einem beispiellosen historischen Lernprozess erst Auschwitz bestenfalls ignorierten, später davon nichts wissen wollten um dann, gut 40 Jahre später, unter Berufung auf die Lehren aus Auschwitz, dem alten Kriegsgegner Serbien noch mal richtig einen einzuschenken.
Dieses lustige Völkchen, dass mit 40 Jahren noch mal so richtig die Sau raus ließ, den Staatssozialismus in den Mülleimer der Geschichte bugsierte und fortan als herzerweichendes Gesamtkunstwerk mal versuchte Vietnamesen bei lebendigem Leibe zu verbrennen, mal, eingehüllt in Schwarz-Rot-Gold, so richtig ausgelassen feierte, obwohl wir nicht mal Weltmeister wurden.
Nun, in vielen E-Mails und Anrufen in der Redaktion teilen Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, uns immer wieder Dinge und Vorgänge mit, die Sie nicht so toll finden, in diesem Land. Wir haben dafür ein offenes Ohr, das wissen Sie. Aber, wie Eingangs erwähnt, am Geburtstag sollte man höflich sein und, wenn man schon gefragt wird, das ein oder andere positive über das Geburtstagskind zum besten geben. Und das wollen wir nun also tun. In den nächsten 60 Minuten und, wie gesagt, in den weiteren Sendungen aus München in diesem Jahr.

92 Happy Birthday Germany